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Was ist eigentlich Heiterkeit?


Das Buch über die Heiterkeit von Axel Hacke kommt genau zum richtigen Zeitpunkt: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir die Krise möglicherweise nicht mehr loswerden. Die Krise ist gekommen, um zu bleiben. Das drückt auf die Stimmung. Und die Frage wird laut: Wie gehen wir damit eigentlich um?


Das zweihundert Seiten kurze und kurzweilig zu lesende Büchlein ist ein schriftliches Nachdenken Hackes über seine eigenen Stimmungen, seine Beobachtungen und die Auswirkungen auf die Gedanken, die folgen. Es ist aber auch eine Lektüre über das Wesentliche im Leben, nicht unbedingt über dessen Sinn, aber über das Erfüllende und das Freudvolle darin. Es schildert auch Hackes Weg zur Erkenntnis der Notwendigkeit von Distanz zum Bedrohlichen oder zum Erlebten. Daraus begründet er seinen Appell, einen heilenden oder gesunden Abstand zu wahren von den eigenen Gedanken oder Sorgen, die das alltägliche Leben mit sich bringt. Diese Distanz ist für ihn vielleicht sogar die Voraussetzung für Heiterkeit. Und Heiterkeit in schwierigen Zeiten macht uns Mut, ebendiese zu überstehen.


Um sich dieser vielleicht heilenden Kraft der Heiterkeit zu nähern, nimmt uns Hacke mit auf einen philosophischen Streifzug durch die Geschichte der Heiterkeit bzw. des Humors seit der Antike und präsentiert Facetten von Menschlichkeit, Nöten und Denkrichtungen. Dabei sucht er Antworten auf die Frage: Wann ist Lachen erlaubt und wo stärkt uns Humor oder Heiterkeit bei der Bewältigung unseres Lebens? „Kann man eigentlich auch an wolkigen Tagen heiter sein?“, fragt der Autor und betrachtet die aktuellen weltlichen Krisen, Kriege und Katastrophen unter diesem Aspekt. Mundwinkel hochzuziehen und sich in Gelassenheit zu üben, können hilfreich sein, aber reicht das schon aus? Es ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich, dem Leben eine heitere Seite abzugewinnen. Die Frage heißt: Wie kann das gelingen?


Das Büchlein selbst ist gar nicht wirklich heiter, es ist eher eine seriöse oder fast schon ernste Auseinandersetzung mit dem Thema Heiterkeit. Hacke zitiert große Figuren der Geschichte von der Antike bis in die Gegenwart und spannt so einen weiten Begriffshorizont. Ob Seneca, Molière, Goethe, Freud, Mann, Sempé, Valentin, Loriot oder Hildebrandt: Es gibt viele, die sich des Themas angenommen haben!


Humor zu haben, bedeutet nicht, immer lustig zu sein


„Es geht nicht um die Heiterkeit, die den Ernst des Lebens bloß überspielen will, verdrängen oder wegschieben“, für Axel Hacke geht es um etwas viel Herausfordernderes, man könnte es auch eine Lebensphilosophie nennen: „Es geht um die komische Art, ernst zu sein.“ Hacke nennt auch das Zuhören als einen Weg zur Heiterkeit. „Ich glaube, das erklärt, warum ich den Humor und die Heiterkeit Loriots oder Sempés oder Woody Allens immer als tröstlich empfand und warum es so vielen Menschen ebenso ging. Man hatte das Gefühl, jemand habe zugehört, uns und dem Leben überhaupt.“


Hacke lädt seine Leserschaft ein, sein Verständnis von Heiterkeit als etwas Nützliches zu verstehen, es ist nichts Aufgesetztes, eher etwas Belangloses. „Heiter sein heißt ja nicht, die ganze Zeit lustig zu sein“, erklärt er, der sich selbst die Heiterkeit erarbeitet, sei es durch eine bewusste Entscheidung dazu oder durch einen bewussten Umgang damit. Über sich selbst zu lächeln, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen, das ist sein Vorschlag. Lachen können und mit anderen Menschen humorvolle Momente teilen, darin sieht er einen Weg, den Ernst des Lebens zu akzeptieren und auszuhalten. Dem Alltäglichen etwas Leichtes abgewinnen. Hacke verweist auch auf eine von ihm gern gesehene Sendung seiner Kindheit Was bin ich? – heiteres Beruferaten mit Robert Lembke. In dieser Sendung wurde viel gelacht. Die Ratenden und das Publikum hatten gleichermaßen Spaß.


Inmitten von Katastrophen, Kriegen, des Klimawandels oder tagesaktueller Unsicherheiten versteht es sich von selbst, dass sich viele Menschen sorgen und dabei mehr ins Grübeln kommen. Hacke liegt es fern, die tatsächlichen Gegebenheiten herunterzuspielen, es geht ihm um den Umgang damit, er weist uns darauf hin, dass wir eine Wahl haben. Indem wir diese Wahlmöglichkeit erkennen und nutzen, werden wir nicht völlig von der Stimmung eingenommen, müssen nicht zwangsläufig in ihr oder sogar in einem Gefühl von Ohnmacht versinken.


Wie man es anstellt, ein heiterer Mensch zu sein


Die Lektüre bietet kein Heiterkeitsrezept. Doch das Büchlein ist voll mit Anregungen und Ermunterungen, die sich nachahmen und ausprobieren lassen. Von Vorbildern lernt sich leichter. Und Probieren geht bekanntlich über Studieren. Das Leben selbst bietet Heiterkeit, wenn wir es nur wahrhaben wollen. Dann können wir Heiteres um uns herum beobachten und in vielzähligen Situationen Humor entdecken. Hacke drückt seine Verehrung für die Meister der Thematik aus: Er verneigt sich vor Loriot, der in diesem Jahr seinen einhundertsten Geburtstag gefeiert hätte. Charly Chaplin und auch Molière gehören dazu. Das Komische liegt doch meist nah am Tragischen, da waren sich schon die Stückeschreiber der griechischen und der römischen Antike einig. Auch Shakespeare war ein Meister von Verwirrspielen, deren Inszenierungen mehr zum Lachen als zum Weinen anregten.


Heiterkeit hat vielleicht auch eine Unbeschwertheit, die uns Deutschen verdächtig vorkommt. Wir sind halt gerne ernst und wollen vor allen Dingen ernst genommen werden. Vielleicht braucht es für einen Perspektivenwechsel eines solchen Büchleins von einem Kolumnisten und Buchautor, der sich schon eine gewisse Seriosität erschrieben hat.


Für Dankbarkeit sind wir wahrscheinlich zu skeptisch, aber ein Lächeln lassen wir uns schon entlocken – schadet ja nicht 😉


Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte ist 2023 im Dumont Verlag erschienen ( 221 Seiten, 20,00€)

von Beatrix Auguste Sieben 10 Aug., 2023
Alles braucht seine Zeit! Das klingt erst einmal nicht gerade nach einer besonders tiefsinnigen Erkenntnis. Blicke ich aber zurück auf die vergangenen Jahre meines Lebens, erkenne ich in diesem Ausspruch eine versöhnliche Wahrheit: Zeit ist eine eigene Domäne. Sie ist nicht recht zu packen. Wenn ich ganz vertieft und konzentriert eine Tätigkeit ausführe, dann vergeht meine gefühlte Zeit wie im Fluge, irgendwie auf wunderliche Weise. Schneckenähnlich langsam hingegen kriecht sie voran, wenn ich unfreiwillig abwarte, was als Nächstes geschehen wird, und als noch schlimmer erlebe ich es, wenn ich warten muss und nicht warten will. Noch vor zehn Jahren langweilte ich mich in den Wartezimmern von Arztpraxen ebenso wie bei meinem Friseurbesuch oder in der Schlange vor einem Ticketschalter: Heute habe ich Lesestoff dabei oder genieße bewusst und dankbar dieses Geschenk einer Pause.  Der Zeit ist mein persönliches Empfinden egal. Die Zeit als solche ist weder sichtbar noch greifbar. Es ist die tickende Uhr im Wartezimmer, die mir eine Rückmeldung gibt, oder das Smartphone, welches die dekorative Armbanduhr in weiten Bevölkerungskreisen bereits abgelöst hat. Was also macht die Zeit für viele zu einem Feind? Weshalb treten wir gegen sie an wie bei einem Wettlauf oder ringen mit ihr wie mit einem Gegner auf der Matte? Weshalb versuchen wir, die Zeit unter Kontrolle zu bringen? (Es gibt ja unzählige Ratgeber und Seminare zum Thema „Zeitmanagement“, aber irgendwie scheint dieser Weg nicht zu funktionieren.) „Life is what happens to you, while you are busy making other plans“ wird gerne als Zitat John Lennon zugeschrieben, der in den frühen Siebzigerjahren seinen persönlichen Ausstieg bei den Beatles aus einem für ihn zunehmend fremdbestimmten Leben realisierte. Liegt darin des Pudels Kern? Geht es gar nicht um Zeit, geht es eigentlich um Freiheit? Es ist leicht nachzuvollziehen, dass wir unsere Lebenszeit für sehr unterschiedliche Tätigkeiten einplanen und verwenden. Auch unser soziales Leben erfordert Koordination und Balance. Nach K.H. Geißler zählt das Wort „Zeit“ zu den am häufigsten gebrauchten Wörtern unserer Alltagssprache. Vielleicht macht uns eher als die Zeit die Hektik des Alltags zu schaffen, die wir glauben nur durch einen Kampf besiegen zu können!? Ähnliche Gedanken gingen vielleicht auch Bertolt Brecht durch den Kopf, als er 1953 sein Gedicht „Radwechsel“ verfasste: Ich sitze am Straßenhang. Der Fahrer wechselt das Rad. Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre. Warum sehe ich den Radwechsel mit Ungeduld? Bertolt Brecht (1898–1956)
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